Traum oder Albtraum? Die Zukunft der sozialen Medien

Sie kennen dich besser als du dich selbst

KI, VIRTUAL INFLUENCER & DAS METAVERSE


Riccarda Boddenberg, 02.11.2022

Die Zukunft der sozialen Medien - ein (Alb)traum?
Die Zukunft der sozialen Medien - ein (Alb)traum?

„Alexa, spiele Musik“ - und wie auf magische Art und Weise beginnt genau die Musik, die deinem Geschmack entspricht. Auch bei Netflix, Amazon, Instagram und Co erreichen uns täglich perfekt auf unsere Interessen zugeschnittene Empfehlungen. Zum einen kann man es als positiv erachten, dass Algorithmen wissen, was uns gefällt, bevor wir es selbst tun. Das erspart immerhin einiges an Arbeit und Zeit. Auf der anderen Seite verbirgt sich dahinter eine Schattenseite, die uns mittlerweile fast allen bewusst ist: Um uns die persönlichen Empfehlungen in den Feed zu spülen, müssen künstliche Intelligenzen lernen und verstehen, wer wir sind. Dazu werden bei jedem Like des Posts deines Lieblingsschauspielers, bei jeder Google-Suchanfrage und bei jedem „Füge den Film zu meiner Watchlist hinzu“, Unmengen persönlicher Daten über uns gesammelt. Bis vor nicht einmal einem Jahr ist das sogar geschehen, ohne dass wir dem aktiv zustimmen mussten. Um der ganzen Daten-Sammlerei etwas den Riegel vorzuschieben, hat der Bundestag dann den §25 TTDSG verabschiedet. Ein neues Gesetz, das besagt, dass Cookies nur gesetzt werden dürfen, „wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat”. Aber sind wir mal ehrlich: Wie oft nehmen wir uns nicht die Zeit, die Cookie-Einstellungen zu konfigurieren und klicken genervt auf „Alle Cookies akzeptieren“?

Daten, Cookies, Personalisierung
Künstliche Intelligenzen analysieren Unmengen an Daten über uns.

Virtual WHAT?

Ist das ein Zeichen dafür, dass wir uns an all diese Dinge schon längst gewöhnt haben? Vielleicht. Da ist es natürlich praktisch, dass das World Wide Web nie stillsteht und bereits die nächsten Entwicklungen für uns auf Lager hat.

Derzeit wird ein aus den USA und Asien stammender Trend weltweit immer populärer: Virtual Influencer. Das sind fiktive Avatare, die von Unternehmen künstlich erschaffen und mit einem Profil in sozialen Medien ausgestattet werden. Das Aussehen, die Stimme, die persönliche Geschichte und der Charakter der Influencer werden zu Marketingzwecken so entwickelt, dass sie genau zu den Vorlieben einer bestimmten Zielgruppe passen. Die virtuellen Influencer posten persönliche Geschichten, interagieren mit ihrer Community und nutzen ihre Reichweite, wie viele andere Influencer auch, für Werbung.

Das mag im ersten Moment sehr skurril klingen, aber der Erfolg gibt den Influencern recht. Immer mehr namenhafte Marken gehen Kooperationen mit den Firmen, die hinter den Influencern stecken, ein. Die Vorteile davon liegen auf der Hand: Die Reichweiten von virtuellen Influencern sind mit denen von „normalen“ Influencern vergleichbar. Durch das künstliche Entwickeln einer Persönlichkeit, mit der sich die Zielgruppe identifizieren kann, kann also nicht nur eine große Anzahl an Menschen erreicht, sondern auch eine hohe Zielgruppengenauigkeit sichergestellt werden. Dadurch, dass alles, was ein solcher Influencer tut, inszeniert und genaustens geplant ist, haben Unternehmen bessere Kontrolle und können so Risikofaktoren wie unbedachte Handlungen und Äußerungen, ausschließen. Ob hinter einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren einer solchen Kampagne, der Glaubwürdigkeit eines Influencers, ein Haken gesetzt werden kann, ist allerdings fraglich. Wieso sollten Kund:innen einem virtuellen Influencer glauben, dass ein beworbenes Produkt auch wirklich gut ist, wenn er es zwecks nichtvorhandener Menschlichkeit überhaupt nicht testen kann?

Hierzu ein weiterführendes Gedankenexperiment: Stell dir vor, dass die Grafiken der Avatare immer besser werden, und für uns als Konsumenten gar nicht mehr zu unterscheiden ist, wer jetzt eigentlich ein virtueller Influenzier ist, und wer nicht. Für Unternehmen mag das sicherlich das Glaubwürdigkeitsproblem lösen. Aber wie fühlt sich dieser Gedanke für dich als Mensch an?

Instagram Account von lilmiquela
Lilmiquela - eine der erfolgreichsten Virtual Influencerinnen.

Vorsicht bei Social Bots

Ein ähnlicher, aber dennoch von virtual Influencern abzugrenzender Trend, sind Social Bots. Getarnt als menschlicher Account in sozialen Medien, stecken hinter ihnen eigentlich Programme, die auf bestimmten Algorithmen beruhen und unterschiedliche Ziele verfolgen. Insbesondere auf Twitter werden so automatisiert Keywords gesucht und unter entsprechenden Posts mit programmierten Antworten reagiert. Damit können Social Bots nicht nur für Marketing-Zwecke missbraucht werden, etwa um Rezensionen zu faken, sondern waren in der Vergangenheit bereits Teil von politischer Propaganda. Hier also ein kleiner Reminder für dich: Glaube nicht alles, was du in den sozialen Medien liest, und checke die Glaubwürdigkeit einer Quelle lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.

Metaverse - mittendrin statt nur dabei

Wir können aber nicht über die neusten Entwicklungen in den sozialen Medien und eine gewisse Form der Dehumanisierung reden, ohne über den größten Hype aus Silicon-Valley zu sprechen: Das Metaverse. Fiktive, virtuelle Welten im Internet, in denen man z.B. als Avatar interagieren kann. Es sind bereits seit einiger Zeit Metaverse-Plattformen verschiedener Anbieter auf dem Markt, aber erst seit Meta (ehemals Feacebook) angekündigt hat, auf den Zug aufspringen zu wollen, scheint der Stein so richtig ins Rollen zu kommen. Mark Zuckerberg, der Gründer von Meta, definiert das Metaverse seiner Unternehmung wie folgt: “The metaverse is an embodied internet that you’re inside of rather than just looking at.” Passend dazu wird das Metaverse als Web 3.0. beschrieben: Ein Ort, auf den wir nicht wie aktuell nur von außen drauf schauen, sondern von dem wir ein Teil werden. Das versetzt den einen oder anderen jetzt vielleicht gedanklich zurück in die Kindheit und in das Computerspiel „Sims“. Das ist aber nicht ganz fair. Im Metaverse befinden wir uns in einer fiktiven Parallelwelt, in der wir als die Person, die wir sind, leben, arbeiten, und auch werben können.

Um das etwas greifbarer zu machen, hier ein paar Beispiele:

  • Fiktive Parallelwelt: Das Metaverse bedient sich verschiedener Technologien, wie der Augmented und Virtual Reality. Durch das Aufsetzen einer entsprechenden Brille verschmelzen die virtuelle und die physische Welt ineinander. Wir schauen also nicht wie bei Sims auf einen Bildschirm, in der sich der Avatar bewegt. Wir stehen als Avatar selbst im Metaverse, und erleben die Welt aus seiner Perspektive. Dennoch: Das Nutzen einer VR-Brille ist optional, d.h. das Metaverse kann auch ohne sie genutzt werden.
  • Leben: Wir können im Metaverse Freunde auf einen Spaziergang treffen, die im echten Leben auf einem anderen Kontinent wohnen, oder statt in einem vollen Wartezimmer zu sitzen, telemedizinisch beraten werden.
  • Arbeiten: Wir können - statt uns über Videokonferenzen zu vernetzen - im Metaverse neben unseren Arbeitskolleg:innen an einem Konferenztisch sitzen, egal, wo sie sich im echten Leben befinden.
  • Und zu guter Letzt, Marketing: Im Metaverse können digitale Produkte erworben werden, denn die Avatare, mit denen man sich im Metaverse bewegt, möchten natürlich auch gut gekleidet sein oder Dinge besitzen. Und wie in der realen Welt, können Marketeers den Konsum ihrer Produkte über eine Vielzahl an Marketing-Maßnahmen ankurbeln.
Mit VR-Brille im Metaverse
Für eine besonders echte Erfahrung im Metaverse kann eine VR-Brille genutzt werden.

Was denn nun? Traum oder Albtraum?

Aber zurück zur Anfangsfrage: Sind all diese Entwicklungen in den sozialen Medien ein Traum oder Albtraum? Wir sagen, bis zu einem gewissen Grad: Ein Traum. Durch künstliche Intelligenzen eröffnen sich für viele Unternehmen Chancen, insbesondere im Bezug auf Kundenservice und Marketing, die es ohne sie nicht geben würde. Und auch für uns als Menschen: Das Web 3.0 schafft Begegnungen zwischen Personen auf der ganzen Welt, die sich viel echter anfühlen, als im Web 2.0. Zum Albtraum wird das ganze aber, wenn diese Begegnungen jene im echten Leben ablösen, oder wenn KIs für kriminelle Zwecke missbraucht werden.

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